Gefangener des Monats Oktober 2012: Farshid Fathi


Farshid Fathi

Farshid Fathi

Jahrgang: 1980

Tätigkeiten: Leiter einer Untergrundgemeinde

Verhaftung: 26. Dezember 2010

Verurteilung: April 2012

Urteil: 6 Jahre Haft wegen “Aktionen gegen die Staatssicherheit, Kontaktaufnahme zu ausländischen Organisationen und religiöser Propaganda”


Farshid Fathi (*1980) ist iranischer Staatsbürger und lebt in Teheran. Bevor er zum christlichen Glauben übergetreten ist, war er Moslem. Er ist verheiratet, hat eine Tochter Rosana (*2004) und einen zweijährigen Sohn Barbod (*2009).

Verhaftung und Prozess

Im Zuge der Verhaftungswelle gegen Christen wurde Farshid Fathi am 26. Dezember 2010 in Teheran inhaftiert. Außer ihm verhafteten die Sicherheitskräfte im gleichen Monat 69 weitere christliche Konvertiten. Mehr als die Hälfte dieser Häftlinge wurden innerhalb weniger Stunden wieder freigelassen. Farshid Fathi wird jedoch noch immer im Gefängnis festgehalten. Weder ein gerichtlicher Festnahmebescheid noch eine Inhaftierungsanweisung lagen vor. Laut Artikel 128 des iranischen Strafrechts sind die Gefangenen, die auf ihr Urteil warten, berechtigt, sich einen Anwalt zu nehmen, aber Herr Nasseri von der Staatsanwaltschaft der Abteilung 6 des Amtsgerichts im Evin-Gefängnis verweigerte Farshid Fathi anfangs dieses Recht. Obwohl lange keine offiziellen Anklagepunkte genannt waren, fand am 5. Februar 2012 das erste Verfahren vor dem Revolutionsgericht im Evin-Gefängnis gegen ihn statt. Es standen die vage formulierten Anschuldigungen „Apostasie“ (Abfall vom Islam), „Evangelisation“, „Gründung einer Untergrundgemeinde“ im Raum. Allein der Vorwurf der „Apostasie“ kann mit dem Tod bestraft werden. Farshid Fathi ist eines der vielen Opfer der Christenverfolgung im Iran. Seine Festnahme und Verurteilung indiziert das rigorose Vorgehen iranischer Behörden. Dies gilt insbesondere gegenüber Muslimen, die zum Christentum konvertieren.

Das Urteil

Ende April 2012 wurde Farshid Fathi's Verurteilung durch das Islamische Revolutionsgericht zu 6 Jahren Haft bekannt. Verurteilt wurde er wegen den inflationär eingesetzten Vorwürfen "Aktionen gegen die Staatssicherheit", "Kontaktaufnahme zu ausländischen Organisationen" und "religiöse Propaganda".

Druck auf die Familie

Um den Druck auf ihn zu erhöhen, teilten die Behörden der Familie im März 2011 mit, dass er gegen die Zahlung einer Kaution von 200.000 Dollar frei kommen würde. Trotz der Kautionszahlung an die Gefängnisverwaltung und deren festen Zusage einer Freilassung, wurde Fathi nicht aus der Haft entlassen. Die bereits gezahlte Kaution wurde der „ungläubigen“ Familie nicht erstattet. Die Beamten verwiesen dabei darauf, dass im Islam jegliches Eigentum von Nichtmuslimen als „Raub an der Ummah“ (religiöse Gemeinschaft aller Muslime) gelte, somit „unrechtmäßig“ sei und „re-islamisiert“ werden müsse.

Momentan gibt es keine Berichte darüber, dass das Besuchsrecht der Familie von den Sicherheitsbeamten willkürlich eingeschränkt würde. Auch gesundheitlich soll es ihm, den Umständen entsprechend, gut gehen.

Im Vorfeld des Urteils, zum Norouz-Fest, bekam er die Erlaubnis das Norouz-Fest außerhalb des Gefängnisses zu feiern, wurde jedoch beim Verlassen des Gefängnisgebäudes gehindert. Dies sollte ihn und seine Familie weiter unter Druck setzen.

Haftbedingungen

Seit seiner Verhaftung befindet sich Fathi in der Abteilung 209 für politische Gefangene im für Folter berüchtigten Evin-Gefängnis nahe Teheran. Für 13 Monate wurde er ohne Anklage in Einzelhaft gehalten. Durch psychischen Druck versuchen die iranischen Vollzugsbeamten ein Geständnis und Informationen über andere Christen zu erpressen.

Im Evin-Gefängnis im Nordwesten Teherans wurden bereits während der Schah-Zeit politische Gefangene inhaftiert. Es ist bekannt für seine unmenschlichen Haftbedingungen. Laut Augenzeugenberichten werden die Häftlinge dort täglich erniedrigt, gedemütigt und gefoltert. Zudem ist das Gefängnis, das ursprünglich für 320 Personen ausgelegt war, chronisch überbelegt. Im Januar 2012 sollen dort rund 8.000 Häftlinge zusammengepfercht gewesen sein. Im Trakt 209 des Evin-Gefängnisses sind vorwiegend politische Gefangene untergebracht. Die Häftlinge leiden unter den nur unzureichenden sanitären Anlagen. Zudem sind auch die medizinischen Einrichtungen unzureichend.

Hintergrund

In der Islamischen Republik Iran ist „Apostasie“, also der „Abfall“ vom Islam, ein „Verbrechen“, das mit dem Tod bestraft werden kann – ebenso das „Verleiten“ zum Abfall vom Islam, „Kampf gegen Gott“ und „Verderbenstiften auf Erden“. Während Christen aus traditionell christlichen Minderheiten, wie z.B. Armeniern und Chaldäern oder christlichen Ausländergemeinden ein Existenzrecht „zugestanden“ wird, wird Atheisten, ehemaligen Muslimen, die ihren Glauben wechseln und „Ketzern“ sogar ein Lebensrecht abgesprochen. Ehemalige Muslime, die zum Christentum konvertierten, treffen sich daher heimlich in Hausgemeinden. Aus diesem Grund ist die Zahl der Konvertiten im Iran unbekannt, sie liegt aber nach Schätzung der IGFM vermutlich bei mehreren Tausend Personen.

Der Iran hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert und bekennt sich öffentlich dazu. Es handelt sich dabei um einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, dem auch Deutschland angehört. Die Islamische Republik Iran bricht diesen Vertrag unter anderem mit der Verfolgung von Konvertiten und Religionslosen.

Die Todesstrafe für das völkerrechtlich garantierte Recht auf freie Wahl einer Religion und das Recht keiner Religion anzugehören, verstößt zudem eklatant gegen allgemeine Rechtsgrundsätze, da es sich nicht nur um eine völlig ungerechtfertigte Strafe, sondern darüber hinaus um eine völlig unangemessene Bestrafung handelt.

© Wir für Christen 2012